Maidan

Майдан
NL 2014 | 130 MIN | ukrain.

Regie: Sergey Loznitsa

Drehbuch: Sergey Loznitsa

Kamera: Sergey Loznitsa, Serhiy Stetsenko

Schnitt: Danielius Kokanauskis, Sergey Loznitsa

Ton: Vladimir Golovnitsky

МайданIn MAIDAN fügt Loznitsa Aufnahmen jener zivilen Unruhen, die im Winter 2013/14 am Kiewer Maidan losbrachen, zu einem wirkmächtigen Zeitdokument zusammen. Die Aufstände, die aus einem friedlichen Protestmarsch heraus entstehen, sind eruptives Indiz der lange währenden ukrainischen Revolution. Mit der Absicht, den regierenden ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch zu stürzen, haben sich die Protestierenden auf dem Maidan versammelt. Als sie jedoch mit der Polizei aneinandergeraten – oder besser gesagt die Polizei an sie gerät –, setzen Straßenschlachten ein, und die Gewalt nimmt überhand. Loznitsa passt einzelne Sequenzen des Protestverlaufs in eine streng geordnete Form ein, verharrt dabei konsequent am zentralen Schauplatz des Geschehens, dem Kiewer Maidan. Schleichend ergibt sich so ein eindringliches Bild, nämlich das der nationalen Neudefinition.

 

Genau acht Jahre ist es her, seit die Massenproteste in der Innenstadt von Kiew Putins Protegé Janukowitsch aus Amt und Land trieben. Der Krieg, welcher danach über den Osten der Ukraine hereinbrach, macht die anfänglich friedlichen Demonstrationen auf dem Maidan beinahe vergessen. Umso erschütternder daher der Blick zurück: die volksfestartigen Proteste mit über einer halben Million Teilnehmenden aus allen Bevölkerungsschichten, die friedliche Besetzung des Kiewer Rathauses und später ein sich verschärfender Konflikt, der in bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Polizei und zunehmend radikalisierten Demonstranten mündete und über hundert Todesopfer forderte.


Die Bilder der Maidan-Proteste gingen um die Welt, und Mobiltelefon sei Dank ist heute jeder Demonstrant auch ein Kameramann. Doch Loznitsa ist kein Handyfilmer: Dem euphorisierenden Gewusel der Demonstranten setzt der Dokumentarfilm-Routinier ruhige, sorgfältig kadrierte Tableaus entgegen. Statt sich vom Strom der Ereignisse mitreissen zu lassen, behält er mit seiner Kamera den Überblick und fasst die Dynamik der Masse in fast schon ornamentale Bilder. Hitzige Köpfe halten Loznitsas Film kühle Distanziertheit und fehlende Empathie vor. In Wirklichkeit schafft er den seltenen Spagat, die explosive Dynamik einer Revolution in zeitlose Bilder zu fassen, und hebt sich damit wohltuend vom Voyeurismus des gängigen Gefechtsjournalismus ab. Er habe sich für Maidan von Eisensteins Streik inspirieren lassen, sagt Loznitsa. Ein Vergleich, der einleuchtet und den er nicht zu fürchten braucht.

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